Die Qualen mit der Qualle.


 Medusen in Triest. Foto (c) Martin G. Wanko


Das Fremde kommt immer unerwartet, sonst wäre es ja auch nicht fremd, zudem ist man, wie gesagt, nicht darauf vorbereitet. Nein, da geht es nicht um Corona, sondern um sogenannte Lungenquallen oder Medusen im Golf von Triest. Laut Wissenschaftler sind sie durch die Bora an die Meeresoberfläche geschwemmt worden, es gibt zwar Gegenstimmen, aber Quallen nützen prinzipiell die Strömungen bestens aus, um sich fortzubewegen. Dementsprechend trägt die Bora nun Schuld, weil sie seit den letzten Tagen voll durchs Meer fährt und quasi die Quallen gegen ihren Willen auf die Oberfläche befördert. 


Ursprünglich kommen die Triestiner Medusen aus Asien und sind nicht erst seit gestern im Golf daheim. Sie sind total schön anzuschauen, wenn sie sich im Wasser bewegen, mit ihren fast durchsichtigen Körpern und den königsblauen Umrandungen. Sie haben Plankton im Überfluss als Nahrung zur Verfügung, und scheinbar keine natürlichen Feinde, also andere Planktonfresser. Sie sind zumindest nicht mehr im Golf, darum gibt es jetzt auch so viel Plankton. Andere Fische machen sich auch nicht über sie her. Sie landen auch auf keinem Speiseteller, da sie als landesfremde Fische gelten. Warum eigentlich? Landesfremde Verbrecher werden ja auch gejagt. Dazu können sie bei Berührung für einen Ausschlag sorgen, also lässt man sie zur Sicherheit in Ruhe. Für die Quallen ein Traum. Und dennoch werden sie kurz nach ihrem Auftauchen und einigen Schwimmbewegungen an Land geschwemmt und sterben. Scheinbar widerstandslos. Ich habe das beobachtet. Vielleicht liegt dahinter eine große Tragödie und wir verstehen sie nicht. Ihr fast durchsichtiges Kleid erinnert an ihre Herkunft aus den dunkelsten Welten des Lebens. In der Meduse bricht die Welt der Tiefsee zusammen, aus der sie kommt, wo noch Pottwale und Riesenkraken gegen Tiefseehaie kämpfen und die Dunkelheit schwärzer strahlt als bei uns die Sonne hell und wo sie sicher Unglaubliches erlebt. Und dann macht sie im für sie seichten Wasser von Triest einige ihrer typischen Schwimmbewegungen, und fällt danach sprichwörtlich auseinander. Das ist ein total magischer Moment. Es hat etwas Willenloses ohne jegliche Selbstzufriedenheit. Natürlich ist das nun wieder eine Vermenschlichung des Tieres. Aber so kann ich Sie am besten fangen, werte Leser. Natürlich, in Zeiten die schwierig sind, haben Tiersendungen Hochkonjunktur, am besten die, wo tierisches Verhalten vermenschlicht wird. Walt Disney lässt grüßen. 


Die tot angeschwemmten Medusen wirken an Land wie Silikon und sind geruchslos. Für Ankömmlinge sind sie noch eine kleine Sensation, für die Triestiner*innen sind sie zur Gewohnheit geworden, für die Fischer sind sie ein Ärgernis und für die Politik sind sie schon etwas mehr als lästig. So werden die Quallen wahrscheinlich zur vorsommerlichen Qual, wenn sie nicht unerwartet und ohne Vorwarnung in den Tiefen des Mittelmeers verschwinden. Solange in Triest der Blasius geht, wird das aber nicht stattfinden. 

 

Wa.

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