Die Sache mit den Sonderbarkeiten und Kostbarkeiten einer Region.

Grenzstein beim Grenzübergang in Goricia

Was hat die britische Hardrock Formation Iron Maiden mit Gorizia (Goricia, Görz, Gurize) am Hut? Nichts und wieder sehr viel. Denn Maiden passierten, wie hier am Grenzstein von einem Fans festgehalten, am 02.04.1981 den Eisernen Vorhang nach Slowenien. Dies erinnert sehr stark an Zeiten in denen immer wieder, medienwirksam, äußerst populäre Rockbands „hinter“ dem Eisernen Vorhang einzelne Konzerte geben durften. Die Luft der Freiheit war spürbar, um danach oft wieder eingeengt zu werden, doch Kunst war und ist allemal die Vorhut einer Bewegung, die sich nicht aufhalten lässt.

Der Wein reift im Tongefäß

Den Karst und sein Leben muss man sich als Mosaik von Sonder- und Kostbarkeiten vorstellen. Wir besuchten, wie schon einige Male in diesem Blog, einen Winzer, dieses Mal einen Radikalwinzer, der wahrscheinlich besser in die zerklüftete und unbiegsame  Landschaft passt, als viele andere. Evangelos Paraschos, ein gebürtiger Grieche, ist ein Mann, der das Risiko liebt. Er studierte in Triest Pharmazie, doch nur nach drei Monaten schmiss er seinen Job als Apotheker hin und spezialisiert sich auf Wein. „Vini Veri“, nennt er seine Weine und die Wahrheit liegt in der Herstellung. Ohne Chemie lässt er seine Weiß- wie Rotwein vergären und keltert so einen der begehrtesten, regionalen, Orange Weine. „Ein risikoreiches Geschäft, nicht jeder Jahrgang bringt das gleiche Ergebnis“, erklärt uns der Sohn des Winzers, Jannis Paraschos. Vielleicht widerspiegeln diese Weine auch deshalb das Leben so gekonnt, ist doch auch in einem Menschenleben jeder Jahrgang unterschiedlich. Nebstbei erwähnt, Orange Weine lassen sich sehr gut lagern. Einen Teil der Ernte lässt der Winzer in Amphoren, also in Tongefäßen, heranreifen. Eine sehr ursprüngliche Methode, wo wir wieder beim Thema sind: Evangelos ist Grieche. In der Friaul gibt es mehr Griechen als angenommen. Ihre Identität hinterlässt nun sichtlich Spuren, ein weiteres Mosaiksteinchen in der funkelnden Triestiner Welt. Wie schon die letzten Jahrhunderte, ist die Gabe Aufmerksamkeit zu erlangen und etwas herzustellen, was der Mensch begehrt, erhalten geblieben.

Die Osmiza David Sado

Zum Mittagessen fuhren wir noch einen Sprung in die Osmiza David Sado im Umland von Triest. Bei David lebt man schon lange nicht mehr vom Wein alleine. Zimmer werden vermietet und im Innenhof werden Jause, Wein und Wasser kredenzt. Ein Konzept, das aufgeht und eigentlich einen verbindenden Faden durch die Regionen darstellt: Über das süd- und weststeirische Hügelland, hin zum Görzer Hügelland (Collio Goriziano), dem östlichen Hügelland der Friaul (Colli Orientali del Friuli) und dem Karst in Slowenien lässt sich eine Region der Lebensstile ausmachen. Zurückhaltend, nett, eigen, traditionell, aber nicht der Tradition ausgeliefert und gebildet. Mit dem Kitzeck Müller in der Südweststeiermark lässt sich beispielweise sehr gut über Punk philosophieren, mit dem Evangelos Parschos schafft man das wahrscheinlich auch.

Der Karst und die Küste

Und wieder zurück nach Triest, dieses Mal in den Karst. Genauer an die Abgründe des Karsts, ganz an der Küste. Durchaus neiderfüllt betrachtete ich im Sommer diese kleinen Parzellen unten am Meer. Oft sind es Irrwege durch die steilen Karsthänge, die einem kleine private, halboffizielle, nicht ganz legale aber im Grunde doch der Allgemeinheit zugängliche Plätze am Meer offerieren. (Von meinem Vorhaben zurückgekehrt meinte die Rezeptionistin, dass ich verrückt sei, denn Zäune, Absperrungen, ungesicherte Wege, relativ unangenehme Hunde und auch erboste Landeigentümer könnten solchen Ausflügen ein jähes Ende bereiten.) Egal, nach einer Stunde Laufen war ich entspannt genug in der Birne, um den kleinen Ausflug in die Illegalität zu wagen, zu schön war der Oktobertag um dies auszulassen. Zäune, Stiegen, Gestrüpp, Disteln, dunkle Wälder und ein Steilhang war zu überwinden, um dann vor einer dieser geheimen Buchten zu stehen. - Die Stille hat Gewicht. In der Ferne ragen die Muschelbänke aus dem Wasser, eine Jacht kehrt knapp vor der Verdunkelung heim, viel Meer vor mir, und begnadete Felsen hinter mir. Wahrscheinlich sind es diese Meter, die den Reiz dieser Region ausmachen, das harte ländliche Leben, die urbane Leichtlebigkeit, drei verschiedene Winde und eine mediterrane Wirklichkeit, die dies zu einer vielschichtigen Einheit machen.

Ciao, Wa.

Paraschos

Osmiza David Sado





Beliebte Posts aus diesem Blog

Triest und die Sache mit der Vergangenheit …

Die Sache mit dem Kaiserfleisch …